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Abschied nehmen auf Reisen

Stephi12 comments5550 views
Abschied nehmen auf Reisen

Abschied nehmen auf Reisen und was es mit uns macht

Wer auf einer Langzeitreise ist, genießt viele Vorteile. Zum einen kannst du langsam reisen, du kannst bleiben, wo du willst, wenn es dir gefällt, du kannst rasten, du triffst viele Menschen, kannst mit ihnen zusammen reisen oder eben bleiben. Aber während die meisten nach einigen Wochen wieder zurück in die Heimat fahren, bleibst du zurück. Zurück an einem Ort, der für die meisten eben nur Urlaub bedeutet. Ein Luxusproblem denkst du? Ja, das ist es. Und wir sind es gewohnt, Abschied zu nehmen. Mal tut es weniger weh, mal tut es mehr weh. Aber heute ist etwas passiert, das mich sehr berührt hat. Abschied nehmen auf Reisen ist aktuell unser Thema.


Wenn Kinder Abschied nehmen auf Reisen

Wir haben schon viele tolle Menschen kennen gelernt, tolle Familien und vor allem tolle Kinder. Für Jannik bedeutet das auch immer Abschied nehmen von Freunden, von Spielgefährten und Wegbegleitern. Bisher war das immer mit einer gewissen Betrübtheit behaftet aber am Ende auch schnell vergessen. Die Menschen sind nie vergessen und sie nehmen auch immer einen kleinen Teil von uns mit während sie einen Teil von sich da lassen aber der Schmerz nicht tief genug, um ihm den Tag über zu beschäftigen. Heute haben wir eine Familie verabschiedet, da lief alles anders. Die kleine Helene, für die Jannik der große Bruder war und ihre Eltern haben uns auf eine ganz besondere Art und Weise berührt. Vielleicht weil sie so herzlich waren, vielleicht weil sie unsere Sprache nutzten aber vermutlich einfach deshalb weil sie ähnliche Anschauungen von der Welt und der Art und Weise haben, wie wir damit umgehen. Eigentlich gab es schon viele Familien, bei denen es ähnlich war, bei denen vor allem ich auch Tränen vergaß aber hier hat es in erster Linie Jannik getroffen. Auf unsere Musikbox haben wir noch das Lieblingslied der kleinen Helene aufgenommen, um sie damit am Pier zu überraschen und somit war vor allem Jannik aktiv an der Verabschiedung beteiligt. Es folgte eine herzliche Umarmung und das obligatorische Winken als das Boot den Pier verlässt. Ich habe noch ein paar Fotos geschossen und bemerke viel zu spät wie betrübt Jannik in Wirklichkeit ist. “Mama, die sind schon weit weg”, sagt er und fällt mir schon weinend in die Arme. Ich spüre sofort, das etwas anders ist als sonst. Es ist nicht die übliche Traurigkeit. Jannik spürt das erste Mal in seinem Leben den intensiven Trennungsschmerz. Und mir ist klar, ich muss ihn darin jetzt begleiten so gut ich nur kann. Die Konsequenz dieser Verabschiedung wird ihm mit dem immer weiter entfernenden Boot so deutlich wie nie zuvor. Und das in erster Linie, weil er jetzt einen Reifegrad erreicht hat, der ihn verstehen lässt was Abschied wirklich bedeutet. Als Mutter blutet mir das Herz, denn hier hilft kein Pusten und kein Pflaster, hier muss ich ganz doll trösten. Immer wieder überfällt ihn die Traurigkeit über den Abschied und so ist es den ganzen Tag ein Thema.

Wie spendet man Trost, wenn der Schmerz ertragen werden muss

Abschied auf Reisen begleitet uns ständig, weil wir als reisendes Mutter-Kind-Duo keine feste Basis haben, weil wir immer wieder weiter ziehen und da gehört der Abschied quasi zum Alltag, so wie es vorher der Gang zum Spielplatz war oder der Kindergartenalltag. Ich habe nie eine solch tiefe Traurigkeit bei meinem Kind erlebt wie heute morgen und wir haben beide noch sehr lange am Pier gesessen und über unseren Schmerz gesprochen. Was sonst hätte ich tun sollen? Ihm sagen, es sei nicht schlimm, weil die Welt sich weiter dreht und wir uns vermutlich irgendwann auf der Welt wieder sehen? Ja, das wird wohl auch passieren aber dieser Abschied war schlimm und nein, ich würde es niemals runter spielen, denn Jannik ist fünf Jahre alt und hat heute das erste Mal in seinem Leben eine Traurigkeit erleben müssen, die ihn überfordert hat. Eine Traurigkeit, die so tiefgründig war und nicht der typischen kindlichen Reaktion gleicht, eine Traurigkeit, die noch viele Nachwehen mit sich ziehen wird. Dass er weinen durfte, dass wir drüber gesprochen haben und gemeinsam dadurch gegangen sind, hat den Schmerz nicht weg gezaubert und vielleicht auch nicht weniger gemacht aber er hat gelernt, seine Gefühle zu benennen und darauf bin ich wahnsinnig stolz. Ich wünsche ihn nie wieder diesen Schmerz aber ich weiß, er wird es beim nächsten Mal leichter haben.

Wie gehst du mit dem Abschied nehmen auf Reisen um?

Mancher Abschied ist für immer, denn alle Menschen wieder zu treffen, würde vermutlich ein zweites Leben bedeuten. Hattest du schon mal mit dieser Art von Traurigkeit zu tun? Wie spendest du deinem Kind Trost und begleitest es dadurch? Deine Meinung und Erfahrung interessiert mich wirklich sehr. Hinterlasse mir einen Kommentar oder einen Link deiner persönlichen Geschichte.

Stephi
Alleinerziehend.Reisesüchtig.Freiheitsliebend.Alternativ.

12 Comments

  1. Oh Mann, wenn ich das so lese, fange ich gleich selber zu heulen an und zwar deshalb weil ich gab schlecht im verabschieden bin und ich immer ganz arg mit abschiedsschmerz zu hadern habe, jetzt bin ich 36 Jahre alt und es wird nicht besser… Drück deinen kleinen ganz doll und noch was: ich finde, dass du sehr gut mit solchen Situationen umgehst, hut ab!

    1. Danke dir, ja auch ich hasse Abschied und umso schlimmer war es für mich zu sehen, dass es Jannik so traf 🙁 Aber es ist wichtig für ihn, seine Gefühle benennen zu können. Danke dir

  2. Es Schmerz wenn ich deinen Artikel lese und ich kenne Jannik und weiß genau was er fühlt .Er war der grosse Bruder für die kleine Helena und er hat verdammt gut aufgepasst auf sie und nun ist sie weg …er kann sie nicht zurück rufen und seine Traurigkeit Sitz sehr tief bei ihn .Ich denke er wird noch sehr oft von sein Erlebnis erzählen und das begleitet ihn sicher bis zum Erwachsenen alter.Du liebe Steffi hast es wiedermal richtig gemacht,du bist an den platz geblieben wo die Traurigkeit anfing er durfte seine tränen dort vergissen wo es so weh tat.Das sprechen miteinander finde ich sehr wichtig ich selber habe so etwas bei meinen Kindern irgendwie immer vermieden weil ich selbst traurig war wenn Abschiede waren oder andere Probleme waren.Ich wünsche dir weiterhin nur das beste.lieben gruss aus Hamburg

  3. Oje, das ist hart. Ich kann verstehen dass Jannik traurig ist. Ich finde Abschied generell furchtbar und bedrückend. Vielleicht ist das der richtige Moment für einen Ortswechsel?!?!dDrück euch!

  4. Wow, sehr bewegend. Du hast einen tollen Jungen. Meine Tochter hat das von dir beschriebene Gefühl das erste Mal mit 7. Sie hat Rotz und Wasser geheult und ich habe sie darin begleitet und ihr geholfen zu sagen, was genau sie so traurig macht. In unserem Fall war es die Scheidung, also nochmal etwas ganz anderes aber doch eine Art von Abschied aus dem gewohnten Umfeld. Wir haben alles friedlich und sanft lösen können und haben ihr beide sehr beígestanden. Ich finde es aber eine der Königsdisziplinen, sein Kind zu trösten, wenn das obligatorische Pflaster nicht hilft.
    Ganz liebe Grüße nach Thailand

    1. Das ist eine Seite der Medaille, die du siehst. De Facto hat er auch hier Freunde, die beispielweise auch vor Ort leben. Ganz im Gegenteil, eigentlich bekommt er die Möglichkeiten ganz viele Freundschaften zu schließen, einige tiefer und einige nicht so tief. Er lernt mit offenen Augen und Herzen durchs Leben zu gehen. In diesem Beitrag habe ich das Gefühl des Abschiednehmens hervor gehoben und das gehört zum Leben dazu. Traurig sein, betrübt sein, verärgert sein und dann wieder glücklich sein, das alles sind Gefühle, die unser aller Leben bestimmen. Natürlich tut es mir als Mutter weh, zu sehen, wie traurig es mein Kind macht, diese Erfahrung zu machen aber genauso stolz bin ich auch darüber, dass er jetzt nach einigen Tagen so offen darüber sprechen kann, was ihn beim Abschied so bedrückt hat. Dass ich nicht jede Meinung treffe, ist mir auch klar und deshalb respektiere ich auch die deinige.

  5. Ich finde ehrlich gesagt auch, dass es nicht gut ist, mit einem Kind ohne Basis zu leben, wie du selber schreibst. Bei den Vagabunden, die haben eine grosse Familie/Sippe.
    Meine Mutter war auch alleinerziehend, deshalb kenne ich das. Das umherziehen kenne ich auch, später war ich fremdplatziert und wechselte mehrmals pro Jahr den Ort; das dann natürlich ohne Mutter. Natürlich habe ich auch viel daraus gelernt.

    Also ganz kann man es nicht vergleichen, ich bin aber auf jeden Fall der Meinung, ein Kind braucht stabile Rahmenbedingungen auf die es sich verlassen kann und stabile, längerfristige Freundesbeziehungen.

    Ich bin übrigens auch alleinerziehend.
    Liebe grüsse
    zoraya

    1. Ich glaube nicht, dass das umherziehen zwingend einen deplatzierten Einfluss hat auf das Kind. Ich kenne genug Kinder, die auch in einem festen Umfeld einen deplatzierten Zustand erleben, weil meiner Meinung nach die Offenheit und Fähigkeiten Freundschaft zu schließen viel wichtiger sind. Es gibt da sicher kein schwarz und kein weiß und ich mache mir besonders in diesem Punkt sehr viele Gedanken. Die Frage, die ich mir immer wieder stelle ist, was in diesem Alter wichtiger ist? Die “festen” Freunde an einem gebunden Ort, die Anwesenheit der Mutter, Kindergarten/Schule, verschiedene Projekte, bei denen wir viele Kinder treffen oder auch die offenen Lern- und Spielgruppen? Und welchen Einfluss haben überhaupt die verschiedenen Ortswechsel auf die kindliche Entwicklung? Werden sie am Ende bindungsunfähig oder offen für Neues werden? Auf all das habe ich keine Antwort und ich verhalte mich immer intuitiv, hinterfrage mein eigenes Verhalten und tue nur das, was sich richtig anfühlt und auch in dieser Situation wäre eine Lösung gewesen, der Familie einfach zu folgen und damit die Traurigkeit hinauszuzögern. Ich glaube auch fest daran, dass stabile Freundschaften für das Kind wichtig sind aber noch ist mein Sohn 5 und der Zeitpunkt, wo eben genau diese Beziehungen besonders wichtig sind, nämlich dann, wenn die erste Abnabelung passiert, der dauert noch. Aber vielleicht fühlt es sich auch schon morgen nicht mehr richtig an für uns.

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