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Mit dem Rad auf Deutschlandtour

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Von Köln nach Luxemburg 2011

Jannik war gerade ein Jahr geworden, als mir die Decke auf den Kopf fiel, die gefühlten 498 städtischen Spielplätze mit dem Rad erkundet waren und ich mir dachte, warum nicht mal wieder anders sein? Gesagt getan !

Der Reisegutschein von Mutti sollte die Grundlage schaffen. Mein bei Ebay ersteigertes Rad im Wert von 30 Euro unser Gefährt, dazu noch der gute Kettlerkindersitz, ein kleines Zelt und ein Schlafsack, 3 Sätze Kleidung und das alles gebündelt in einen kleinen Ortliebsack vorne im Körbchen verstaut.

Mit dem Rad auf Deutschlandtour

Ich habe mich für die Route von Köln bis nach Trier entschieden, den guten Radweg an Rhein und Mosel entlang. Unsere erste Etappe war die Zugfahrt mit dem Schönen-Wochenend-Ticket via Regionalzügen nach Köln, alle Mitfahrer waren bereits über Mitfahrgelegenheit zusammen gestellt. In aller Früh ab zum Bahnhof, um dann festzustellen, dass auf einen Sonntag die Regionalbahn zum Hauptbahnhof erst eine Stunde später verkehrt. Was nun? Nützt nix, ab aufs Rad und im Eiltempo in aller Früh und noch halb schlafenden Kind hinten drauf zum Hauptbahnhof, 5 Minuten vor Abfahrt angekommen…….puhhh. An dieser Stelle sei nur gesagt, dass ich bei Ankunft im Zug die Hälfte meines Wasservorrats geleert habe.

Mit dem Rad auf Deutschlandtour und wir treffen in Köln ein

Bis nach Köln mussten wir 4mal umsteigen, Mitfahrer wechseln,das Fahrrad Treppen rauf und Treppen runter schleppen, mal mehr und mal gar keine Zeit auf dem Bahnsteig verbringen. Jannik fand es total aufregend und erkundete die Fahrradabteile der Regionalzüge. Nach einem langen Tag und deutlich mehr Muskelkraft als geplant, sind wir dank der vielen verschiedenen Mitfahrer so gar noch mit 20 Euro Taschengeld in Köln angekommen. Nur kurz für Unwissende, über die Mitfahrgelegenheit kann man seine Strecke einstellen und Kosten durch Mitnahme von anderen auf ein Gruppenticket sparen, in meinen Fall waren es soviel verschieden Strecken, dass ich so gar mit einem Plus rausgekommen bin.

Mit dem Rad nach Bad Neuenahr-Ahrweiler

Den restlichen Tag verbringen wir in Kölns schöner Altstadt und nächtigten im Anschluss in der Jugendherberge, in der ich mir am nächsten Morgen den Bauch mit Unmengen an Kalorien voll schlug um die anstehenden 70 km zur nächsten Jugendherberge nach Bad Neuenahr-Ahrweiler zu schaffen. Als ich gegen Mittag realisierte, dass ich noch immer die Hälfte des Weges vor mir hatte, ahnte ich, dass es noch ein langer Tag werden würde. Nach gefühlten 30 Stunden Radfahren, 9 Spielplatzpausen und zwei Flussüberfahrten dann die ersehnte Ankunft in Bad Neuenahr-Ahrweiler um 17 Uhr, um dann festzustellen, ich bin in einen Kurort gelandet, der sich auf Schönheit spezialisiert hat. Mit meinen ausgeblichenen Radshirt, den farblich nicht abgestimmten Hosen und meine mit Farbklecksen verzierten Crogs zog ich in dieser Fussgängerzone mehr als nur einen Blick auf mich. Es fühlte sich ein wenig so an als hätte man sich auf einer Party betrunken eingenässt und sucht nur noch den Ausgang.

Perfektion ist etwas schönes, solange sie ehrlich bleibt, Oberflächlichkeiten sind mir zuwider.

Mitten im Wald, über Hügel mit Kompass

Ich entscheide mich am nächsten Tag wegen etwas schlechtem Wetter und dem verzweifelten Versuch, mit einem geliehenen Kompass durch den Wald über Hügel gen Süden zu radeln, um die kürzeste Luftstrecke zu nehmen, doch mit dem Zug ein Paar Stationen Richtung Mayen zu fahren. Als mir ein Fussgänger nach den ersten zwei Hügeln verriet, es folgen noch 6 weitere, befolgte ich seinen Ratschlag einfach wieder umzudrehen.

Die Jugendherberge Mayen bietet den perfekten Halt mit dem Rad auf Deutschlandtour

Als ich mich für die Jugendherberge in Mayen entschieden habe wegen des tollen Ausblicks, habe ich natürlich nicht soweit gedacht, woher dieser tolle Ausblick kommt, und natürlich kam es auch so wie es kommen musste, 20 Minuten Berg auf schieben, am Ende meiner Kräfte, das Rad fast wieder samt Kind runter radeln lassend und zu guter Letzt aber mit diesen herrlichen Ausblick belohnt worden. Die Tatsache, dass wir als einzige Gäste vom Hause absolut verwöhnt wurden, entschädigte zusätzlich für die Strapazen.

Maifeld-Radweg

Am nächsten Tag ging es dann auf den tollsten Radweg, den ich je gefahren bin, dem Maifeld-Radweg über eine alte Bahntrasse bequem über die Höhen der Vordereifel nach Cochem zurrück an den Fluss. Das erste Mal kam unser Zelt hier zum Einsatz auf einen kleinen versteckten Campingplatz ohne Wart. Wir zelteten die nächsten Tage immer wieder entlang der Mosel.

Als Norddeutscher fühlt man eine gewisse Beklemmung, wenn sich links und rechts die Berge auftun, ein Gewitter naht, der Himmel sich schwarz färbt und man glaubt das Tal füllt sich gleich wie ein Wassergraben.

Trier, die älteste Stadt Deutschlands und die Porta Nigra

Dann haben wir es geschafft, die älteste Stadt Deutschlands ist erreicht und es macht sich ein Hauch von Stolz in mir breit als wir die Porta Negra erreichen. Wir verbleiben ein paar Tage bei einer Freundin in Trier und machen noch einen Ausflug mit Zug und Rad nach Luxemburg, eine äußerst interessante Stadt mit einen wundervollen Wasserspielplatz.

Unser Heimweg

Der Rückweg nach Hause gestaltet sich deutlich schwieriger als der Hinweg. Drei Tage Gewitter zwingen uns in die Knie und ich entscheide mich für den Zug, natürlich für die günstige Variante, denn für mehr reicht mein Geld nicht mehr. Nach ca. 8 Stunden sind wir fast da, und dann passiert es, dei Lokführer des Metronom haben beschlossen zu streiken, nächste Zugmöglichkeit um 23:15, die aktuelle Uhrzeit ist 19:30…..Was nun? Mit Kind 4 Stunden aufn Bahnsteig inmitten von wütenden Fahrgästen ist nicht gerade förderlich für ein sonniges Gemüt. Am anderen Gleis hält plötzlich ein ICE nach Hamburg, ich fackel nicht lange und entscheide mich dafür, mich in eine Opferrolle zu begeben und die besorgte Mutter mit hungrigen Kind zu miemen, mit mir eine alleinreisende Radlerin, die sich in unser Boot gesellt. Während alle anderen zugestiegenen Fahrgäste ohne Fahrschein tief in die Tasche langen müssen, bleibt für uns die Fahrt kostenfrei. Erschöpft und dennoch zufrieden und glücklich fallen wir zwei Stunden später, nach 3,5 Wochen quer durchs Land radeln, ins Bett.

Fazit der Reise

Ttrotz vieler Hürden in Form von mangelnden Fahrstühlen an Bahnhöfen, streikenden Lokführern, Platzregen und Gewitterfronten und fast unüberwindbaren Steigungen, schliesse ich die Reise mit einem durchweg positiven Gefühl ab. Denn entschädigt wurden wir von tollen Ausblicken, interessanten Gesprächen, überragender Gastfreundlichkeit und ich ganz persönlich vom täglich wiederkehrenden Lächeln meines Sohnes, der besonders die vielen der täglichen Spielplatzbesuche genoss.

Der Kostenpunkt inklusiv aller Ausgaben lag übrigens bei 270 Euro.

Stephi
Alleinerziehend.Reisesüchtig.Freiheitsliebend.Alternativ.

3 Comments

  1. wow, wie machst du das nur? hast du trainiert für solche langen strecken? ein mensch der nicht trainiert kann ja nicht von null auf hundert, ich würde mich freuen wenn du uns, deinen lesern mit einem tipp und deinen erfahrungen bereichern könntest. also liebe steffi… wie schafft man es als normalo solche strecken zu fahren?

    1. Hallo Jenny,
      von Null auf hundert geht so etwas natürlich nie. Ich fahre viel mit dem Rad im Alltag, aber im Grunde steigert man sich auf so einer Reise von Tag zu Tagimmer mehr und wer am Anfang vielleicht nur 30km schafft, radelt oft nach einer Woche auf dem Drahtesel schon 50 oder 60 km.

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