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Was ist eigentlich in Myanmar los

Stephi3378 views

Auf der Suche nach Antworten,  was ist eigentlich in Myanmar los? Unsere organisierte Rundreise in Myanmar ist beendet. Nun geht es auf eigene Faust weiter. So sehr ich unsere erste Woche auch genossen habe, so sehr freue ich mich auch darauf wieder entschleunigt und planlos weiter zu reisen. Myanmar hat mich berührt wie kaum ein anderes Land und doch hat es schon im Vorwege soviele Fragen aufgeworfen. Fragen, auf die ich Antworten suche. Dinge, die ich verstehen will. Fragen, die mich haben zweifeln lassen. Kann ich oder darf ich überhupt meinen Aufenthalt im Land der goldenen Pagoden genießen? Dort, wo Dinge passieren, die unter keinen Umständen in Ordnung sind.

Verletzung der Menschenrechte in Myanmar

Ich weiß nicht, ob du es weißt aber Myanmar verletzt noch bis zum heutigen Tag die Menschenrechte und es findet im Rakhaing Staat, im Nordwesten an der Grenze zu Bangladesch eine “ethnische Säuberung” statt. Myanmar befand sich viele Jahre unter der Militärdiktatur und wer das Land bereist, wird verstehen, dass es noch weitere Jahre bedarf, um sich ganz davon zu befreien. Es gibt im ganzen Land ethnische Minderheiten, eine davon sind die Rohingyas, eine moslemische Minderheit, die keine Stimme haben. Weder der Besitz, noch höhere Bildung ist ihnen gewahrt. Auch wurden sie nie als ethnische Gruppe anerkannt und so haben sie lediglich eine Aufenthaltsgenehmigung in Myanmar. Sie dürfen weder Land besitzen noch einer offiziellen Arbeit nachgehen. Ihr Ruf nach Freiheit und Unabhängigkeit ist groß und über die Jahre entstand zudem große Wut über diesen Zustand. Ich verlinke hierzu mal nach Wikipedia.

Warum reise ich überhaupt?

Einer der Gründe warum ich reise, ist der, dass ich ein großes Interesse in die verschiedensten Kulturen habe. Wann immer ich die Möglichkeit habe, Fragen zu stellen, tue ich es. Ich will eintauchen in die Mentalitaet und die mir fremde Welt verstehen. Ich will von ihnen lernen, was ich noch nicht weiß und teilen, was mich bewegt. Ich glaube fest daran, dass genau diese Erfahrungen, unseren Charakter formen. Und so mache ich mich auf die Suche nach Menschen, die bereit sind, mit mir zu reden.

Auf der Suche nach Antworten

Ich sitze an einem kleinen Fluss mit Jannik, mitten in Yangon. Hinter mir eine kleine buddhistische Pagode, vor mir eine muslimische Familie, die ihre Wäsche im Fluss reinigt. Ich beobachte sie, heimlich, will sie nicht verunsichern während Jannik mit einem kleinen Papierboot in seiner Fantasie die sieben Weltmeere überquert. Die Mutter sieht gezeichnet aus, ich frage mich, ob sie ein Teil der ethnischen Minderheit Rohingyas ist. Ich schaue mich um, will verstehen wie andere Einheimische auf dieses Bild reagieren. Plötzlich setzt sich ein alter Mann zu uns, er lächelt Jannik an und beginnt ein Gespräch mit mir. Er fragt nach unserer Geschichte. Er ist neugierig, weltoffen und ich wittere meine Chance. Frage ihn, ob die Familie am Fluss wohl zu den Rohingyas gehört. Er schaut mich fassungslos an, sieht sich um und flüstert leise, ich solle mich vorsehen, wenn ich solche Fragen stelle. Er fragt mich, ob ich von der Zeitung sei und welche Informationen ich wohl für meinen Bericht verwenden würde. Für einen kurzen Moment fühle ich mich wie eine Figur aus dem Film “Der Staatsfeind Nummer Eins”. Er erklärt mir, dass man in Myanmar nicht spricht über solche Dinge, das Militär sei überall und er kommt ein Stück dichter, schaut sich um und flüstert, die ganze Demokratie sei nur ein großes Schauspiel, es wird noch Jahre dauern, bis die Bevölkerung eine echte Stimme habe. Er steht auf und geht, schaut sich noch einmal um und ich bin verunsichert. Meine Frage war doch nicht politisch, denke ich mir noch im Stillen und doch habe ich einen Stein damit ins Rollen gebracht.

Über Begegnungen in Myanmar

Ich verlasse mit Jannik den Fluss und treffe noch am Abend eine Freundin, die ich schon aus Malaysia kenne. Sie ist Burmesin und studiert in Malaysia. Ich erzaehle ihr von meiner Begegnung und frage sie direkt nach ihrer Meinung. Sie erzählt mir ein wenig von den Spannungen aber ihr Wissen ist beschränkt, wie sie selbst sagt. Auch sie bestätigt, wir reden nicht über Politik. Das wurde uns jahrelang verboten. Das Militär hat nach wie vor einen großen Einfluss und niemand würde es wagen, sich gegen militärische Vereinbarungen zu stellen, auch wenn sich die Gesetze auf dem Papier geändert haben, in den Köpfen ist es nach wie vor present und niemand will sich durch unüberlegte Worte in Schwierigkeiten bringen.

Ich habe 1000 Fragen im Kopf

Ich schlafe ein mit tausend Fragen. Die Begegnung mit dem alten Mann verfolgt mich bis in den Traum. Es dauert zwei Tage bis ich wieder eine Chance bekomme. Wir lernen einen Mönch kennen in der Ringbahn und er lädt uns prompt zu einem Klosterbesuch ein. Wir unterhalten uns gefühlt eine Ewigkeit während die kleinen Mönchsschüler Jannik ein Spiel auf dem Tablet beibringen wollen. Unsere Unterhaltung geht so tiefgründig, dass ich es wage und ihn ganz direkt frage, was er von den Spannungen im Rakhaing Staat hält. Es folgt schweigen, er schaut sich um und mit leiser Stimme erklärt er mir, dass sich die Menschen hier schämen für all das, was dort passiert. Aber auch er sagt, niemand spricht darüber. Er will mir mehr erzählen, sein Wissen teilen aber nicht hier und so verspricht er mir das Gespräch für den Weg zurück zur Bahnstation. Ich spüre eine peinliche Stille und animiere die Kinder zum englisch reden.

Und plötzlich bekomme ich Antworten

Auf dem Heimweg erzählt er mir alles, was er weiß. Er sagt, kein Buddhist dieser Erde könne das gut heißen, was dort passiert. Die Rohingyas warten schon Jahre lang auf die Anerkennung ihrer Unabhängigkeit, sie haben keine Zugehörigkeit, weder in Bangladesch, wo sie angeblich herkommen, noch in Myanmar, wo sie seit Jahrzehnten geduldet werden. Die buddhistische Regierung habe, ähnlich wie lange Zeit im Shanstaat, die Menschen klein gehalten. Sie haben keine Stimme und keine Rechte. Sie dürfen kein Land besitzen, werden nie die Chance haben, für ihre Familien etwas aufzubauen. Da kommt Frust auf und genau wie es im Shanstaat an der Grenze zu Thailand zu jahrelangen Aufständen kam, so bildeten sich auch unter den Rohinghas rebellische Gruppen. Als die Lage eskallierte und ein buddhistisches Kloster abgebrannt wurde, griff die Regierung durch und die moslemische Minderheit wurde rabiat verbannt. Ganze Dörfer wurden vom Militär abgebrannt, Männer, Frauen und sogar Kinder getötet. Es gab eine große Fluchtwelle nach Bangladesch, wo es aber auch nicht besser wurde.

Vergeltung ist keine Frage der Religion

“Ich weiß nicht was sie hätten besser machen können, um die Lage unter Kontrolle zu bringen aber ich weiß, dass es nicht unserer Religion entspricht, mit Vergeltung zu antworten”, sagt er mit betrübten Blick. “Jetzt schaut die Welt zu und bekommt einen falschen Eindruck von unserem Land und unserer Religion” fügt er hinzu. Ich kann seine Traurigkeit förmlich spüren. Und ganz leise sagt er dann zu mir, er dürfe eigentlich niemals so offen mit mir reden aber er glaube nicht an Demokratie solange die Menschen Angst vor der Wahrheit haben und sie lieber verschweigen statt ihre Stimme zu nutzen.
Ich verabschiede mich und bedanke mich für seine Offenheit.

Der Weg zum Verständnis und die Ohnmacht

Im Laufe der Reise habe ich noch einige weitere Gespräche mit Einheimischen aber keines ist so offen wie diese Begegnung. Eines wird mir klar, das Militär hat trotz des Machtverlusts noch immer das Sagen im Land. Und wieder frage ich mich, was mache ich hier? Ich fühle mich ein wenig ohnmächtig.  Kann ich überhaupt ein Land bereisen, welches so sehr die Menschenrechte verletzt? Ist es in Ordnung, dieses Land als Tourist indirekt zu unterstützen oder sollte man besser andere Länder bereisen? Und was passiert, wenn wir alle ein solches Land boykottieren? Nutzen wir damit unsere Stimme und unsere Möglichkeit, etwas zu verstehen, zu teilen oder gar zu bewegen?

Welche Intention habe ich persönlich?

Für mich zählen immer die Momentaufnahmen, die Menschen, denen wir begegnen und die mit uns ihre Geschichte teilen, mit denen wir für einen kurzen Moment eine gemeinsame Geschichte haben. Wäre ich nicht nach Myanmar gereist, hätte ich mich vermutlich auch nicht so intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt und hätte nie die Chance bekommen, die Meinung der Einheimischen zu hören. Ich weiß also gar nicht genau ob es ein richtig oder falsch gibt. Als Tourist habe ich nichts von den Spannungen mit bekommen, einzig und allein meine Suche nach Antworten hat mich zu diesen Begegnungen geführt. So komme ich zu dem Schluss, dass es meiner Meinung nach wichtig ist, zu fragen und die Dinge aus anderen Blickwinkeln wahr zu nehmen, denn nur das gibt mir am Ende die Chance einen größeren Blickwinkel auf die Sachlage zu haben.

Wie stehst du zu der Thematik?

Wie gehst du mit solchen Themen um? Würdest du in Länder reisen, die politische menschenrechtliche Verbechen begehen? Wie würdest du den Menschen begegnen? Inwieweit bin ich als Deutsche vielleicht auch durch die Geschichte im eigenen Land geprägt? Mich würde deine Meinung wirklich sehr interessieren. Ich glaube, kaum ein anderes Thema beschäftigt einen jeden Reisenden so sehr wie das Bedürfnis danach, politisch, kulturell und menschlich korrekt zu sein auf unseren Streifzügen durch die Welt.

Stephi
Alleinerziehend.Reisesüchtig.Freiheitsliebend.Alternativ.

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