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Leichtfüßig durchs Leben

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Was wir von Fremden lernen können

Heute möchte ich über eine Begegnung schreiben, die mich nachhaltig beschäftigt hat. Ich traf kürzlich eine junge Frau in der Fußgängerzone, eine dieser Karrierefrauen, zusammengebundene Haare, Sonnenbrille und Officeoutift, genüsslich einen Smoothie schlürfend, doch etwas stimmte an diesem Bild nicht. Meine Blicke musterten die Unbekannte und da fand ich den Fehler, sie lief barfuß, einfach so auf den Asphalt herum. Ich konnte nicht verstehen, warum sie das tat, ob sie wohl ihre Schuhe vergessen hat, diese kaputt gegangen sind oder der Saftverkäufer ihr den ersten Smoothie über die Füße gekippt hat?

Ich wagte mich einfach und fragte sie ganz offen, erzählte ihr, dass dieses Bild gerade eine Art Anziehungskraft auf mich hat und ich gern wissen wollte, was der Hintergrund für dieses ungewöhnliche Verhalten in einer deutschen Großstadt ist. Sie war deutlich überrascht von meiner offensiven Fragestellung, beantwortete sie dann aber sehr detailreich und ich bin immer noch berührt von dieser Geschichte.

Diese junge Frau, erhält die Firma ihres Vaters am Leben, weil es sein größter Wunsch ist und er selbst gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist. Sie selbst aber ist freiheitsliebend, reisebegeistert, naturverbunden und würde viel lieber ohne Geld in der Wüste leben und mit einem Wüstenschiff von einer Oase zur nächsten reiten. Auf die Frage, warum sie ihre eigene Bedürfnisse zurück stellt, erhielt ich eine Antwort, die mich nachdenklich gestimmt hat. Sie tut es aus Dankbarkeit für eine erfüllte Kindheit und weil sie etwas von dem, was sie erfahren hat, zurück geben möchte, obgleich sie sich damit selbst nicht realisiert. Sie erzählte mir, dass ihr Vater Straßenmusiker gewesen sei und er seine Leidenschaft aufgegeben hat für die Familie und somit in ihren Augen Opfer gebracht hat, aber dadurch eben nicht unglücklich geworden ist.

Der Grund für das Barfußlaufen liegt nun in der Naturverbundenheit. Sie erzählte mir, wie frei sie sich fühlt, wenn sie barfuß läuft und dass es dann egal ist, was sie gerade macht, solange sie sich nur geerdet fühlt, den Boden unter ihren Füßen spürt und das Großstadtgetümmel völlig ausblendet, die anstrengenden Kunden vergisst, ihr einstudiertes Lächeln weg lässt und einfach nur für den Moment lebt. Noch bevor sie diesen Satz beendete, zog ich meine Schuhe aus und tat es ihr gleich und was soll ich sagen? Diese Einfachheit des Spazierengehens hat mich total glücklich gemacht und mir gefiel die Auswahl der Worte, die diese Frau mit dem Barfußlaufen verbindet. Ich habe mir vorgenommen, diese besondere Emotion wieder und wieder zu erleben und es ihr ein wenig gleich zu tun.

Ich verbschiedete mich und obwohl ich das Gefühl hatte, dass ich ein WIldvogel im Käfig traf, sah ich diesen für den einen Moment seine Runden ziehen. Das war eine außerordentlich interessante Geschichte einer jungen Frau, die mir noch fünf Minuten vorher fremd war und dem Anschein nach in eine völlig andere Schublade zu passen schien.

Dennoch hatte diese Begegnung einen bitteren Beigeschmack, nämlich die aufkommende Frage, inwieweit wir eben nicht unsere Träume verwirklichen sollten, weil es andere Menschen vielleicht unglücklich macht? Was würden unsere Lieben denn sagen, wenn wir die Träume ihretwegen aufgeben? Ist das wirklich eine Form von Dankbarkeit? Macht es auf Dauer glücklich? Oder bringt es uns nicht nur in einen Zustand von emotionaler Abhängigkeit, weil wir stets nach dem gutgemeinten Sinn suchen und Lob, Anerkennung und Dankbarkeit dann unser Antrieb sind?

Mich würde wirklich sehr interessieren, was du dazu meinst oder ob du sogar schon Träume aufgegeben hast und wie du dich damit gefühlt hast.

Stephi
Alleinerziehend.Reisesüchtig.Freiheitsliebend.Alternativ.

2 Comments

  1. Hm, wieder mal ein so schöner Artikel. Und welch außergewöhnliche Geschichte!
    Ich kann das Bedürfnis nach Barfußlaufen sehr gut nachvollziehen – auch für mich ist es ein unbeschreibliches Gefühl von Verbundenheit mit der Erde, der Nautr, geerdet sei. Ich habe das Gefühl, wenn ich die Erde unter meinen Füßen spüre – ohne >Socken und Sohlen, am Besten ohne Asphalt – kann ich die Erde “leben” und “atmen” hören. Ich bin eins mit ihr, ein Teil von ihr. Dieses Gefühl hatte ich als Kind noch viel stärker.

    Und die Fragen die du stellst, die habe ich mir auch schon sehr oft gestellt. Besonders in Asien habe ich immer wieder Leute getroffen, die ihr Leben viel stärker auf das Wohl ihrer Familie zuschnitten. Besonders gut kann ich mich an einen Bekannten erinnern,einen Kambodschaner. Er hatte seit Jahren einen gut bezahlten Job in Thailand, seine Freunde dort, sein Leben, eine unheimliche Chance für ihn als Sohn einer armen Familie in einem kleinen kambodschanischen Dorf. Seine Eltern waren schon sehr alt und lebten in den allerärmsten Verhältnissen – Jegliche Ersparnisse wurden direkt in die Bildiung der Kinder gesteckt – in Kambodscha (neben Verbindungen) die einzige Möglichkeit, aus ärmlichen Verhätnissen zu entkommen.
    Nun musste seine kleine Schwester das Elternhaus verlassen, da sie in der Stadt mit Studieren anfing. Er kündigte sienen Job in Thailand, zog zurück in die ärmliche Strohhütte seiner Eltern in dem kleinen Dorf und fing an, in einer der Fabriken zu arbeiten, in denen man 10 Stunden am Tag unter schlechten Bedingungen durchgehend schuften muss. AUf meine ernsthafte Frage, wieso er sein Leben in Thailand aufgegeben hatte, schaute er mich verständislos an. Er schien wirklich nicht zu begreifen, warum ich diese Frage stellte. Er sagte bloß: “Meine Schwester zieht doch weg. Und jemand muss bei unseren Eltern bleiben.” Im Ton war kein Bedauern, kein Wehmut, keine Wut zu spüren. Es war schlichtweg selbstverständlich und außer Frage für ihn, nun für siene Eltern da zu sein.

    Ich schämte mich für meinen Fokus auf die Dinge, die er aufgegeben hat.

    Und doch weiß ich, dass es in usnerer Welt anders läuft – nicht schlechter, nciht besser, nur anders. Unser Fokus auf das persönliche Glück und Individualität, auf Sicherung der Lebensqualität, der Rente, alles wird von Instituten übernommen. Wir empfinden es als Belastung, uns um unsere Verwandten und Bekannten zu kümmern und sehen uns nicht mehr in ebendieser Verantwortung.
    Gleichzeitig haben wir viel mehr Möglichkeiten, was die Gestaltung unseres Leben anbelangt. Wir, als Westeuropäer, HABEN nunmal die Möglichkeit, fast alle unsere Träume zu verwirklichen.

    Im Endeffekt gibt es kein Richtig oder Falsch. Jeden Individuum muss für sich selbst entscheiden, in wieweit es seine Träume verwirklicht, auch wenn damit soziale Pflichten vernachlässigt werden. Eine Entscheidung, die ich für mich auch noch nicht beantwortet habe…

    1. Liebe Nina,
      dein Feedbac ist zauberhaft, die Geschichte trifft es genau auf den Punkt. Ob wir in der einen oder anderen Situation richtig oder falsch handeln, kann niemand anderes für uns beantworten. Lediglich die andere Sichtweise kann wahr genommen werden. Und wie du schon sagst, was für einen Westeuropäer normal scheint, ist für einen Asiaten absolut unverständlich. Wir leben in einer Gesellschaft auf der Überholspur, verlieren oft den Blick für das Wesentliche und tun so auch oft schwer Herzensentscheidungen zu treffen.
      Was das barfuß laufen angeht, bin ich seit dieser Begegnung ein absoluter Verfechter für die Freiheit meiner Füße 🙂

      Viele Dank für das Teilen deiner Gedanken

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